salut : tschüss ! 3. Amelie Rose Schüle

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In unserer neuen Rubrik «salut : tschüss !» sprechen wir mit Menschen aus der Bieler Kunst- und Kulturszene. Entweder – salut – sind sie neu in der Stadt oder – tschüss – verlassen Biel für neue Abenteuer. Ab und an nehmen wir auch ein kleines Jubiläum zum Anlass und sprechen mit jemandem beispielsweise über das erste Bieler Jahr.

Den Anfang machten Michel Vust, ehemaliger Delegierter für Kultur der Stadt Biel und Katharina Rupp, ehemalige Schauspieldirektorin des TOBS.

Nun stellten wir unsere Fragen an Amelie Rose Schüle, Direktorin des Photoforum Pasquart.

Frau Schüle, sie sind seit Oktober 2023 Direktorin und Kuratorin im Photoforum Pasquart, schon fast eineinhalb Jahre also. Wie haben Sie die Zeit in Biel bisher erlebt?

Ich habe mich in Biel sehr schnell eingelebt – sicher auch, weil ich bereits einmal in die Schweiz eingewandert bin und hier gelebt habe. Doch diesmal ging es sogar noch schneller als ich gedacht hätte. Das liegt vermutlich auch an der Vielfalt der Stadt, der Nähe zur Romandie und der offenen Haltung der Menschen hier.

Ich hatte den Wunsch nach Verkleinerung im Sinne einer bewussten Entschleunigung, um Dinge einfacher und lokaler zu gestalten. Das habe ich in Biel und im Photoforum gefunden. Die Zeit im Photoforum selbst ging unglaublich schnell. Es ist meine erste Direktionsstelle – eine spannende Herausforderung, die mich auf Trab hält, auch weil das Team sehr klein ist.

Sie haben, wie gesagt, schon einmal in der Schweiz gelebt – damals in Zürich. Hatten Sie da schon Berührungspunkte mit Biel?

Tatsächlich war ich während meiner Zeit in Zürich nur einmal in Biel. Für meine Masterthesis interviewte ich Nadine Wietlisbach, die damalige Direktorin des Photoforum. Dafür bin ich nach Biel gereist – und bereits im Bahnhof war ich begeistert von der Stadt. Nach diesem Besuch habe ich mich entschieden, dass die fiktive Ausstellung meiner Masterthesis im Photoforum stattfinden soll. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich eines Tages tatsächlich im Photoforum arbeiten würde. Es fühlt sich also eher wie ein Zurückkommen als ein Ankommen an – ein richtiger full circle moment.

Sie waren davor mehrere Jahre in Amsterdam tätig, am FOAM Fotografiemuseum Amsterdam und beim Fotofestival Unseen. Amsterdam als Grossstadt ist kulturell sicherlich nicht vergleichbar mit Biel. Was macht Biel kulturell trotzdem so besonders?

Der Kontrast zwischen Amsterdam und Biel ist weniger gross als man denkt. Was Biel so besonders macht, ist die Zweisprachigkeit – oder eigentlich die gelebte Mehrsprachigkeit. Diese Sprachvielfalt fördert die Diversität,- und Sprache ist ja auch immer Kultur. Die Flexibilität, die hier sprachlich gelebt wird, bringt eine Offenheit und Dynamik in den kulturellen Austausch und sorgt für ein überraschend breites kulturelles Angebot. Natürlich ist das kulturelle Angebot in einer Weltstadt wie Amsterdam riesig. Aber für mich persönlich bietet Biel alles, was ich brauche – mit einer Balance aus Kultur, Gemeinschaft und Lebensqualität, die ich in Amsterdam oft vermisst habe.

Stichwort Sprache ist Kultur: Das Jahresthema 2025 im Photoforum lautet «Reclaim the Narrative!». Welche Überlegungen stehen hinter dieser Wahl?

Fotografie ist nicht nur ein Medium, sondern auch eine Sprache – eine visuelle Sprache, die uns eine neue Sicht auf die Welt ermöglichen kann. Mit dem Jahresthema «Reclaim the Narrative!» wollen wir die Frage stellen, wie Fotografie und visuelle Kunst bestehende Erzählungen hinterfragen und neue Perspektiven eröffnen können.

Bilder haben eine grosse Macht: Sie prägen unsere Vorstellungen von Geschichte, Identität und Realität. Deshalb geht es uns darum, das Narrativ aktiv zurückzuerobern und zu reflektieren, wer Geschichten erzählt – und aus welcher Perspektive. Dieses Jahr setzen sich die Ausstellungen konkret mit Themen wie unserer Beziehung zum Nicht-Menschlichen, Identität und Desinformation im Internet auseinander.

Dieses Nachdenken über Narrative und die Macht von Bildern zieht sich auch durch unsere aktuelle Ausstellung mit Cécile Monnier und Janis Polar.

Am Samstag, 15.02.25, war die Eröffnung der neuen Doppel-Ausstellung von Cécile Monnier und Janis Polar. Was möchten Sie der Stadt Biel und den Besuchenden mit dieser Ausstellung mitgeben?

Wir haben für diese Ausstellung zwei Kuntschaffende eingeladen, die mit unterschiedlichen Perspektiven die gleiche Frage angehen: Wie beeinflussen Bilder unsere Wahrnehmung des Nicht-Menschlichen? Es geht um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur – um Landwirtschaft, um Stadt-Land-Dynamiken, um die Art, wie wir Tiere halten und nutzen, aber auch um die wissenschaftliche Erkundung entlegener Ökosysteme und die geopolitischen Interessen, die damit verknüpft sind.

Besonders in Cécile Monniers Arbeit stehen Fragen der Nutztierhaltung und unseres ambivalenten Verhältnisses zu Tieren im Zentrum. Ich selbst komme aus einer ländlichen Gegend und aus einer Metzgerfamilie, daher ist dieses Thema für mich persönlich sehr präsent. Die Ausstellung regt dazu an, über unsere eigene Haltung nachzudenken: Welche Tiere sehen wir als Mitgeschöpfe, welche als Ressource? Welche Bilder prägen unsere Wahrnehmung von Natur?

Da das Photoforum ein Forum für Dialog sein soll, haben wir die Studierenden des Propädeutikum Biel eingeladen, ein Vermittlungselement zur Ausstellung zu erarbeiten. Viele der Studierenden kommen aus der Region, und alle haben einen eigenen Bezug zum Spannungsfeld zwischen Stadt/Land und Natur. Ihr Projekt wird die Ausstellung um eine weitere Perspektive erweitern und die Besuchenden dazu einladen, ihre eigenen Gedanken und Erfahrungen in den Dialog einzubringen.

Welche Projekte möchten Sie unbedingt noch umsetzten im Photoforum? Sei es, weil sie wichtig sind fürs Photoforum oder für Biel.

Das Photoforum hat einige turbulente Jahre hinter sich mit mehreren Wechseln in der Direktion. Mein vorrangiges Ziel ist es, Stabilität zu schaffen und das Photoforum in eine positive Zukunft zu führen. Das bedeutet nicht nur, die Organisation inhaltlich weiterzuentwickeln und es lokal wie national zu vernetzen, sondern auch auf politischer Ebene aktiv zu sein. Deshalb engagiere ich mich im Vorstand des aaoc und in der aaoc Kulturlobby Biel/Bienne, die sich für bessere Rahmenbedingungen in der lokalen Kulturszene einsetzt. Ein Grossteil der kulturellen Arbeit wird noch immer unter prekären Bedingungen geleistet. Hier sehe ich Handlungsbedarf: Ich möchte mich mit anderen Kunst- und Kulturschaffenden vernetzen und gemeinsam Lösungen finden, um die Kulturszene in Biel langfristig zu stärken.

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Amelie Rose Schüle, Direktorin Photoforum Pasquart. Foto: Yara Jimmink